IDH – The Sustainable Trade Initiative’s Sustainable Production of Calves Program (SPCP)
Die Initiative entspricht dem Tierwohlkennzeichen Deutschland (BMEL) – Stufe 2: mehr Platz, Auslauf, tiergerechtere Haltung
Was ist das Programm?
Das „Sustainable Production of Calves Program“ ist eine Initiative von IDH, gemeinsam mit privaten Partnern (z. B. Fleisch- und Agrarunternehmen) in Brasilien, insbesondere im Bundesstaat Mato Grosso (Brasilien) sowie im Bundesstaat Pará, mit dem Ziel, die Zucht- und Aufzuchtphase bei Rindern („Calves“ = Kälber bzw. Jungvieh) nachhaltiger zu gestalten. IDH – the Sustainable Trade Initiative
Zentral: Nachvollziehbarkeit (Traceability), Einbezug kleiner Produzenten, Umweltschutz (z. B. Vermeidung illegaler Entwaldung), Produktivitäts- und Effizienzsteigerung.
Zielsetzungen
Einige der wichtigsten Ziele des Programms:
- Verbesserung der Produktionspraxis bei Kleinerzeugern: z. B. bessere Weidenbewirtschaftung, effizientere Fütterung, gesundere Tiere.
- Unterstützung bei Umwelt- und Landregulierung: z. B. dass Nutzflächen legal sind, Waldanteile erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden.
- Einführung eines Protokolls zur individuellen Rückverfolgbarkeit von Kälbern (bis zum Aufzucht- oder Schlachtbetrieb) – z. B. Ohrmarkierung, Datenplattformen.
- Beitrag zur Strategie „Produzir, Conservar e Incluir“ (Produzieren, Bewahren und Einbeziehen) im Staat Mato Grosso – also wirtschaftliches Wachstum + Umweltschutz + soziale Einbindung.
- Skalierung: Ziel war z. B., 1 Mio. Tiere in das Rückverfolgbarkeitssystem bis etwa 2025 aufzunehmen.
Wie funktioniert das Programm praktisch?
- Freiwillige Teilnahme: Produzenten können sich dem Programm anschließen. euromeatnews.com
- Technische Unterstützung: Beratung bei Produktions- und Finanzmanagement, Weide- und Tiermanagement, Umweltregularisierung.
- Traceability-Plattform: Zum Beispiel wird jedes Kalb registriert („declared“) mit Herkunft, Transfers, etc.
- Klassifikation der Tiere / Betriebe: Über ein „Protokoll für nachhaltige Kälberproduktion“ (Protocol) werden Status vergeben wie „Technische Assistenz“, „Legal Compliance“, „Deforestation-Free“.
- Einbindung von kleinen Produzenten und Unterstützung, damit sie Teil der Wertschöpfungskette werden.
- Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen (z. B. Fleischverarbeiter) und Einsatz von Investitionen, um die Transformation zu finanzieren.
Warum ist das relevant?
- In Brasilien ist die Rinderhaltung eine der Hauptursachen für Entwaldung, insbesondere bei indirekten Zulieferern (Zucht/Aufzucht) mit geringer Technologie, wenig Regulierung.
- Durch bessere Rückverfolgbarkeit und Regulierung kann man Risiko- und Nachhaltigkeitsanforderungen entlang der Lieferkette verbessern. JA Hub
- Die Verbindung von Produktion, Umwelt-schutz und sozialer Einbindung entspricht dem zunehmend wichtigen Nachhaltigkeits- und Regulierungsdruck bei Agrar-Lieferketten.
- Für Unternehmen: sicherte Herkunft, Transparenz, Zugang zu Märkten, möglicherweise bessere Konditionen.
Aktueller Stand & Ausblick
- Start etwa 2019 in den Tälern Juruena & Araguaia in Mato Grosso.
- Erweiterung des Programms in den Bundesstaat Pará.
- Ziel: Tausende von Produzenten und Millionen von Tieren erfassen. Beispiel: bis 2025: 1 Mio. Tiere.
- Kooperationen mit großen Fleischunternehmen wie Marfrig und JBS S.A.
Zusammenfassung
Das „Sustainable Production of Calves Program“ von IDH ist ein ambitioniertes Projekt zur Transformation der Rinder-Zuchtphase in Brasilien — mit Blick auf Nachhaltigkeit, Rückverfolgbarkeit, Einbindung kleiner Produzenten und Umweltschutz. Es zielt darauf ab, von der Aufzucht / Zucht („calves“) an sauberere Lieferketten zu schaffen und damit Risiken (z. B. Entwaldung, unklar regulierte Flächen) zu vermindern.
⚠️ Herausforderungen & Kritikpunkte
Hier sind einige der konkreten Kritik- bzw. Problembereiche, die ich gefunden habe:
- Skalierung & Wirkung
- Auch wenn das Programm ambitionierte Zielzahlen nennt (z. B. Registrierung von 1 Mio. Tieren bis 2025) – im Verhältnis zur Gesamt-Rinderpopulation Brasiliens bleibt das ein kleiner Teil.
- Ein Monitoring-Bericht sagt: „… due to the recent start and initial reluctance by the farmers, there are not many other specific results at field level at this stage.“
=> Heißt also: Der Prozess läuft, aber viele Produzenten sind noch nicht voll integriert, Wirkung bislang begrenzt.
- Einbindung & Vertrauen der Produzenten
- In bestimmten Biomen (z. B. Pantanal) gibt es kulturelle und praktische Hindernisse: große Betriebe mit wenig Produktivfläche, traditionelle Praxis, Misstrauen gegenüber externen Programmen.
- Der „Terms of Reference“-Text nennt explizit: „Main challenges … were to build trust with producers, get them engaged … and change their mindset regarding … individual identification of the calves.“
- Tierwohl & soziale Aspekte
- Während Umwelt und Rückverfolgbarkeit im Fokus stehen, ist die explizite Ausgestaltung des Tierwohls (z. B. Art der Haltung, Auslauf, Tiergesundheit, Stressreduktion) weniger transparent in den Dokumenten.
- Auch wenn kleine Produzenten einbezogen werden sollen: Ob und wie stark sich ihre Einkommenssituation langfristig verbessert, bleibt offen bzw. wenig evaluiert – das heißt, Risiko bleibt, dass soziale Verbesserungen unzureichend sind.
- Frage der Nachhaltigkeit vs. Greenwashing
- Programme wie dieses laufen in Kooperation mit großen Fleisch‐ bzw. Agrarunternehmen (z. B. Marfrig, JBS S.A.) – das heißt, es besteht die Gefahr, dass die Initiative als Teil der Unternehmenskommunikation dient, aber die tatsächlichen Veränderungen im System eher moderat bleiben.
- Beispiel: Selbst „Traceability“ wird häufig als Ziel genannt („vom Kalb bis zur Kette“) — aber der tatsächliche Anteil der Tiere mit vollständiger Rückverfolgbarkeit bleibt ein kleiner Teil.
- Umweltwirkungen sind langfristig zu sehen
- Das Programm adressiert Entwaldung, Landregularisierung etc. – doch solche Veränderungen brauchen Zeit. Ein Bericht sagt: „… initial phase … not many other specific results at field level at this stage.“
- Die Herausforderung besteht darin, ob Intensivierung von Beständen und höhere Technologie nicht wiederum neue Umwelt- oder Tierwohlrisiken erzeugt (z. B. dichteres Beweiden, mögliche Übernutzung, Stress für Tiere) – solcherlei Risiken werden zwar thematisiert, aber wenig bewertend untersucht.
🔍 Fazit
Das Sustainable Production of Calves Program ist gedanklich und erreichbar ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Nutzviehproduktion – insbesondere in einem schwierigen Umfeld wie der brasilianischen Rinderwirtschaft mit hohen Entwaldungsrisiken. Gleichzeitig gilt aber:
- die Wirkung ist bislang begrenzt in Umfang und Tiefe
- soziale und Tierwohl-Dimensionen werden weniger stark in öffentlich zugänglichen Bewertungen diskutiert
- Vertrauen und Engagement der Produzenten sind noch ein großer Schraubstock
- Gefahr von Symbolwirkung bzw. PR ohne strukturelle Veränderung besteht