Zum Inhalt springen

IDH

  • oliver.schrage 

IDH – The Sustainable Trade Initiative’s Sustainable Production of Calves Program (SPCP)

Die Initiative entspricht dem Tierwohlkennzeichen Deutschland (BMEL) – Stufe 2: mehr Platz, Auslauf, tiergerechtere Haltung


Was ist das Programm?

Das „Sustainable Production of Calves Program“ ist eine Initiative von IDH, gemeinsam mit privaten Partnern (z. B. Fleisch- und Agrarunternehmen) in Brasilien, insbesondere im Bundesstaat Mato Grosso (Brasilien) sowie im Bundesstaat Pará, mit dem Ziel, die Zucht- und Aufzuchtphase bei Rindern („Calves“ = Kälber bzw. Jungvieh) nachhaltiger zu gestalten. IDH – the Sustainable Trade Initiative
Zentral: Nachvollziehbarkeit (Traceability), Einbezug kleiner Produzenten, Umweltschutz (z. B. Vermeidung illegaler Entwaldung), Produktivitäts- und Effizienzsteigerung.


Zielsetzungen

Einige der wichtigsten Ziele des Programms:

  • Verbesserung der Produktionspraxis bei Kleinerzeugern: z. B. bessere Weidenbewirtschaftung, effizientere Fütterung, gesundere Tiere.
  • Unterstützung bei Umwelt- und Landregulierung: z. B. dass Nutzflächen legal sind, Waldanteile erhalten bleiben oder wiederhergestellt werden.
  • Einführung eines Protokolls zur individuellen Rückverfolgbarkeit von Kälbern (bis zum Aufzucht- oder Schlachtbetrieb) – z. B. Ohrmarkierung, Datenplattformen.
  • Beitrag zur Strategie „Produzir, Conservar e Incluir“ (Produzieren, Bewahren und Einbeziehen) im Staat Mato Grosso – also wirtschaftliches Wachstum + Umweltschutz + soziale Einbindung.
  • Skalierung: Ziel war z. B., 1 Mio. Tiere in das Rückverfolgbarkeitssystem bis etwa 2025 aufzunehmen.

Wie funktioniert das Programm praktisch?

  • Freiwillige Teilnahme: Produzenten können sich dem Programm anschließen. euromeatnews.com
  • Technische Unterstützung: Beratung bei Produktions- und Finanzmanagement, Weide- und Tiermanagement, Umweltregularisierung.
  • Traceability-Plattform: Zum Beispiel wird jedes Kalb registriert („declared“) mit Herkunft, Transfers, etc.
  • Klassifikation der Tiere / Betriebe: Über ein „Protokoll für nachhaltige Kälberproduktion“ (Protocol) werden Status vergeben wie „Technische Assistenz“, „Legal Compliance“, „Deforestation-Free“.
  • Einbindung von kleinen Produzenten und Unterstützung, damit sie Teil der Wertschöpfungskette werden.
  • Zusammenarbeit mit privaten Unternehmen (z. B. Fleischverarbeiter) und Einsatz von Investitionen, um die Transformation zu finanzieren.

Warum ist das relevant?

  • In Brasilien ist die Rinderhaltung eine der Hauptursachen für Entwaldung, insbesondere bei indirekten Zulieferern (Zucht/Aufzucht) mit geringer Technologie, wenig Regulierung.
  • Durch bessere Rückverfolgbarkeit und Regulierung kann man Risiko- und Nachhaltigkeitsanforderungen entlang der Lieferkette verbessern. JA Hub
  • Die Verbindung von Produktion, Umwelt-schutz und sozialer Einbindung entspricht dem zunehmend wichtigen Nachhaltigkeits- und Regulierungsdruck bei Agrar-Lieferketten.
  • Für Unternehmen: sicherte Herkunft, Transparenz, Zugang zu Märkten, möglicherweise bessere Konditionen.

Aktueller Stand & Ausblick

  • Start etwa 2019 in den Tälern Juruena & Araguaia in Mato Grosso.
  • Erweiterung des Programms in den Bundesstaat Pará.
  • Ziel: Tausende von Produzenten und Millionen von Tieren erfassen. Beispiel: bis 2025: 1 Mio. Tiere.
  • Kooperationen mit großen Fleischunternehmen wie Marfrig und JBS S.A.

Zusammenfassung

Das „Sustainable Production of Calves Program“ von IDH ist ein ambitioniertes Projekt zur Transformation der Rinder-Zuchtphase in Brasilien — mit Blick auf Nachhaltigkeit, Rückverfolgbarkeit, Einbindung kleiner Produzenten und Umweltschutz. Es zielt darauf ab, von der Aufzucht / Zucht („calves“) an sauberere Lieferketten zu schaffen und damit Risiken (z. B. Entwaldung, unklar regulierte Flächen) zu vermindern.

⚠️ Herausforderungen & Kritikpunkte

Hier sind einige der konkreten Kritik- bzw. Problembereiche, die ich gefunden habe:

  1. Skalierung & Wirkung
    • Auch wenn das Programm ambitionierte Zielzahlen nennt (z. B. Registrierung von 1 Mio. Tieren bis 2025) – im Verhältnis zur Gesamt-Rinderpopulation Brasiliens bleibt das ein kleiner Teil.
    • Ein Monitoring-Bericht sagt: „… due to the recent start and initial reluctance by the farmers, there are not many other specific results at field level at this stage.“
      => Heißt also: Der Prozess läuft, aber viele Produzenten sind noch nicht voll integriert, Wirkung bislang begrenzt.
  2. Einbindung & Vertrauen der Produzenten
    • In bestimmten Biomen (z. B. Pantanal) gibt es kulturelle und praktische Hindernisse: große Betriebe mit wenig Produktivfläche, traditionelle Praxis, Misstrauen gegenüber externen Programmen.
    • Der „Terms of Reference“-Text nennt explizit: „Main challenges … were to build trust with producers, get them engaged … and change their mindset regarding … individual identification of the calves.“
  3. Tierwohl & soziale Aspekte
    • Während Umwelt und Rückverfolgbarkeit im Fokus stehen, ist die explizite Ausgestaltung des Tierwohls (z. B. Art der Haltung, Auslauf, Tiergesundheit, Stressreduktion) weniger transparent in den Dokumenten.
    • Auch wenn kleine Produzenten einbezogen werden sollen: Ob und wie stark sich ihre Einkommenssituation langfristig verbessert, bleibt offen bzw. wenig evaluiert – das heißt, Risiko bleibt, dass soziale Verbesserungen unzureichend sind.
  4. Frage der Nachhaltigkeit vs. Greenwashing
    • Programme wie dieses laufen in Kooperation mit großen Fleisch‐ bzw. Agrarunternehmen (z. B. Marfrig, JBS S.A.) – das heißt, es besteht die Gefahr, dass die Initiative als Teil der Unternehmenskommunikation dient, aber die tatsächlichen Veränderungen im System eher moderat bleiben.
    • Beispiel: Selbst „Traceability“ wird häufig als Ziel genannt („vom Kalb bis zur Kette“) — aber der tatsächliche Anteil der Tiere mit vollständiger Rückverfolgbarkeit bleibt ein kleiner Teil.
  5. Umweltwirkungen sind langfristig zu sehen
    • Das Programm adressiert Entwaldung, Landregularisierung etc. – doch solche Veränderungen brauchen Zeit. Ein Bericht sagt: „… initial phase … not many other specific results at field level at this stage.“
    • Die Herausforderung besteht darin, ob Intensivierung von Beständen und höhere Technologie nicht wiederum neue Umwelt- oder Tierwohlrisiken erzeugt (z. B. dichteres Beweiden, mögliche Übernutzung, Stress für Tiere) – solcherlei Risiken werden zwar thematisiert, aber wenig bewertend untersucht.

🔍 Fazit

Das Sustainable Production of Calves Program ist gedanklich und erreichbar ein wichtiger Schritt in Richtung nachhaltiger Nutzviehproduktion – insbesondere in einem schwierigen Umfeld wie der brasilianischen Rinderwirtschaft mit hohen Entwaldungsrisiken. Gleichzeitig gilt aber:

  • die Wirkung ist bislang begrenzt in Umfang und Tiefe
  • soziale und Tierwohl-Dimensionen werden weniger stark in öffentlich zugänglichen Bewertungen diskutiert
  • Vertrauen und Engagement der Produzenten sind noch ein großer Schraubstock
  • Gefahr von Symbolwirkung bzw. PR ohne strukturelle Veränderung besteht
WordPress Cookie Hinweis von Real Cookie Banner